Windmühlen gehören in der Vorstellungskraft der Nachbarländer zu den Niederlanden wie Gouda und Holzschuhe. Da erscheint es merkwürdig, dass ausgerechnet dort mit Vehemenz gegen einen Windkraftpark gestritten wird. Allerdings haben die modernen Windkraftanlagen auch nicht viel mit den klassischen Windmühlen gemeinsam.
In der kleinen Gemeinde Urk sollen die gewaltigen Anlagen rund 200 Meter in die Höhe reichen. 86 Turbinen in drei Reihen sollen an Land und jenseits der Küste entstehen und einmal Strom für 400.000 Haushalte produzieren. Doch so weit ist es noch lange nicht, denn die Bewohner der Region fürchten um ihre gewohnte Lebensweise und Traditionen.
"Das sind die höchsten Gebäude in Holland", sagt der örtliche Bestatter Leen van Loosen. "Das ist einfach verrückt." Im gleichen Maß, wie immer mehr Windkraftanlagen in Europa entstehen, kommt es zu immer mehr juristischen Auseinandersetzungen zwischen den Betreibern und den betroffenen Gemeinden. Angesichts eines steigenden Ölpreises, der weltweiten Bemühungen um den Klimaschutz und neuen Zweifeln an der Sicherheit der Atomkraft gelten die erneuerbaren Energien jedoch als saubere Lösung für das Energie- und Umweltproblem. Und unter den erneuerbaren Energien ist die Windkraft die billigste und weit entwickelt noch dazu.
Neue Kapazitäten in der EU und weltweit
Allein im vergangenen Jahr entstanden in der Europäischen Union Kapazitäten für 10.000 Megawatt aus Windkraft. Damit stiegt die gesamte EU-Kapazität auf 84.000 Megawatt aus Windkraft oder zehn Prozent der Energieerzeugung, wie die Europäische Vereinigung für Windenergie in einem Bericht feststellte. Weltweit wuchsen die Kapazitäten für Strom aus Windkraft im vergangenen Jahr um fast 36.000 Megawatt oder 22,5 Prozent, fast die Hälfte davon in China. Aber wenn schon die Niederländer die Windkraft ablehnen, wie viel Hoffnung besteht dann, dass der Rest der Welt sie als wichtige Energiequelle akzeptieren kann?
"In Holland gibt es kaum ein Projekt, das sich nicht verzögert", sagt der Windkraftexperte Michiel Muller von der Beratungsfirma Ecofys. In ganz Europa müssen neue Anlagen zahlreiche Hürden nehmen, durchschnittlich dauert es 55 Monate, bevor mit dem Bau begonnen werden kann.
Mit einer Kapazität von 430 Megawatt würde der Windpark in der Nähe von Urk Strom für 400.000 Haushalte produzieren und wäre damit einer der größten in Europa. Der Windpark würde den Niederlanden helfen, das von der Europäischen Union ausgegebene Ziel einzuhalten, bis 2020 20 Prozent seiner Energie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Derzeit verfügen die Niederlande über eine Kapazität von 2.237 Megawatt aus Windkraft. Bis 2020 müssen allerdings 12.000 Megawatt erreicht werden.
Schäden für Fischerei und Tourismus befürchtet
Die 86 Turbinen sollen in drei Reihen errichtet werden, 38 an Land und 48 vor der Küste. Die erste Turbine wird dabei nur rund 1,5 Kilometer von der Statue einer Fischerfrau errichtet, die 1986 in Gedenken an die verschollenen Fischer des Dorfes seit 1717 gebaut wurde. Die Bewohner vor Urk bringen viele Argumente gegen den Windpark vor: Sie befürchten Schäden für die Fischerei und den Tourismus. Der Ausblick auf die See werde gestört, der Ort habe unter dem ständigen Lärm der Turbinen zu leiden. Vögel würden traumatisiert und das ganze Projekt könnte einen Deich gefährden.
"Wir sind alle für grüne Energie", sagt Van Loosen. "Aber das hier ist übertrieben." Die Unterstützer des Windparks sprechen von Fehlinformationen. Sie erklären, die Turbinen seien so weit weg vom Ort entfernt, dass es dort nicht zu einer Lärmbelästigung kommen werde. Auch seien die Anlagen kaum zu sehen. Und einer führt an, die modernen Windkraftanlagen seien nur eine Weiterentwicklung der traditionellen Windmühlen. "Windmühlen gehören zu den Niederlanden", sagt Janneke Wijnia-Lemstra, der die Bauern hinter dem privat finanzierten Projekt vertritt. Die Regierung garantiert mit Subventionen einen wettbewerbsfähigen Preis für den Strom aus Windkraft.
Wirtschaftsminister Maxime Verhagen erklärt, der Windpark passe in den geplanten Energiemix der Niederlande. Jede Energiequelle habe eben auch negative Seiten. "Man kann Nein zur Windkraft sagen, weil sie die Aussicht stört. Man kann wegen des Atommülls Nein zur Atomkraft sagen. Und man kann Nein zur Kohle sagen, aber dann haben wir in den Niederlanden gar keine Energie mehr", erklärt der Minister zum Widerstand in Urk.
Keine Turbinen im Vorgarten
Dort strich die Regierung inzwischen sieben der geplanten Turbinen und verabschiedete im vergangenen Monat das Vorhaben. Die Bewohner von Urk wollen sich jedoch nicht beugen, bevor nicht weitere 15 Turbinen wegfallen. Notfalls will man bis vor das höchste niederländische Gericht oder sogar die EU-Gerichte ziehen. Es gehe um Kultur und Geschichte, erklärt Bürgermeister Jaap Kroon. Zu Vorwürfen, alle wünschten sich alternative Energien, aber niemand wolle sie in seinem Hinterhof haben, erklärte er: "Das ist nicht unser Hinterhof, das ist unser Vorgarten."
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