Dienstag, 3. Januar 2012

Schwarze Solaranlagen auf deutschen Dächern ?

Riedlingen. Landauf, landab blitzen Photovoltaik-Anlagen auf vielen Dächern. Eine Baugenehmigung wurde selten beantragt. Dabei ist die bei Anlagen auf Mietdächern vorgeschrieben - sagt das Infrastrukturministerium.

Platz ist auf fast jedem Dach: Auf der Mehrzweckhalle und auf der Grundschule in Maselheim (Kreis Biberach) gingen 2010 und 2011 Photovoltaik-Anlagen in Betrieb. Nur 480 Quadratmeter Solarfläche, aber gut für fast 68 000 Kilowattstunden umweltfreundlichen Strom im Jahr. Finanziert von Bürgern, die Anteile der Energiegenossenschaft zeichnen, gebaut auf kommunalen Mietdächern. Eine Baugenehmigung? "Nein, die war nicht notwendig", sagt Bürgermeister Elmar Braun. Auch im Allgäu werkelt eine Bürgerenergiegenossenschaft für die Energiewende. Vier Photovoltaik-Anlagen kamen bereits auf kommunale Dächer. Baugenehmigungen? "Nein, nicht nötig", heißt es im Bauamt der Allgäustadt.

Auf den Dächern boomt die Energiewende - dank Einspeisegesetz mit garantierten Einnahmen für die Stromerzeuger, auch wenn die Fördersätze sinken. 52 Prozent Plus gab es 2010 bei der Solarstrommenge im Südwesten. Nach der Landesbauordnung sind "Anlagen zur photovoltaischen und thermischen Solarnutzung" genehmigungsfrei. Nur "gebäudeunabhängige" Anlagen mit mehr als drei Meter Höhe und über neun Meter Länge benötigen eine Baugenehmigung. So unbürokratisch wird das nicht nur in Maselheim und in Wangen gehandhabt, sondern fast überall im Land.

Allein 45 Bürgerenergiegenossenschaften wurden seit 2008 mit Unterstützung der ENBW im Land gegründet, 44 der Genossenschaften betreiben inzwischen Photovoltaik-Anlagen, meist auf kommunalen Dächern. Nur eine hat nach Informationen der SÜDWEST PRESSE eine Baugenehmigung gebraucht: die in Riedlingen im Kreis Biberach. Das Rathaus beruft sich auf die Landesbauordnung - und auf ein Papier aus dem Regierungspräsidium Tübingen. "Da kann ich mich nicht drüber hinweg setzen", sagt Elmar Seifert, Leiter des Bauamts.

Im Dezember 2010 hat die Tübinger Behörde ihre Hinweise zum Umgang mit Solaranlagen an die Rathäuser geschickt. Darin geht es vor allem um große Anlagen in freier Landschaft. Aber auch um Photovoltaik auf Mietdächern in Städten. Stromerzeugung auf solchen Mietdächern sei eine neue Nutzung, damit sei es vorbei mit der Verfahrensfreiheit, sagt das Regierungspräsidium. Die Folge: Genehmigungspflicht für die Solaranlagen.

Das grün-geführte Infrastrukturministerium bestätigt das: "Die gewerbliche Nutzung einer PV-Anlage durch einen ,Hausfremden, der das Dach gemietet hat, stellt eine baurechtlich erhebliche Änderung der Gebäudenutzung dar", sagt Sprecher Hartmut Trümner.

Schlechte Karten für ein Vorhaben von "Oberschwaben Solar" in einem Riedlinger Teilort: Für 400 000 Euro will die Ravensburger Firma auf einen Handwerkerbetrieb Solarzellen bauen. Die eingeschaltete Leasinggesellschaft verlangte eine Bescheinigung über die Genehmigungsfreiheit. Die stellte das Riedlinger Bauamt aber nicht aus - mit Verweis auf Tübingen.

"Das haben wir noch nie erlebt", sagt Adi Kull von "Oberschwaben Solar". Für eine Baugenehmigung sei ein "Rattenschwanz" an Unterlagen beizubringen, Statiker und Architekt müssten bezahlt werden. "Das ist ein Unding, wo ist denn der Unterschied zwischen einer Anlage auf eigenem Dach und einer auf einem Mietdach?" Seit zehn Jahren betreibt die Firma schon Solaranlagen auf Mietdächern. "Das wären ja alles Schwarzbauten, wie die Anlagen der Bürgergenossenschaften auch."

Der Unterschied sei rechtlicher Natur, sagt Trümner, die Nutzung sei anders. Die grün-rote Regierung wolle die Landesbauordnung aber nach sozialen und ökologischen Kriterien überarbeiten und alle Vorschriften überprüfen. Einzelheiten stünden jedoch noch nicht fest.

"Wenn wir nach dem Krieg auch so eine Regelungsflut gehabt hätten, wären wir immer noch Entwicklungsland", sagt Maselheims Bürgermeister Braun (Grüne). Einen Trost hat Ministeriumssprecher Trümner: Gewerbliche PV-Anlagen ohne Baugenehmigung seien "zwar formell rechtswidrig und als Schwarzbau anzusehen", weg müssten sie aber nicht - wenn sie den Bauvorschriften entsprechen.